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5. August 2016 – Fotorecht: Bild mit Berichterstattung über Mieterfest trotz fehlender Einwilligung erlaubt

Ein Mieterfest, ein Foto, eine Veröffentlichung ohne Einwilligung…

Der BGH wurde mit der Frage konfrontiert, ob ein Foto einer drei Generationen umfassenden Familie,ohne die Einwilligung der Familie veröffentlicht werden durfte. Aufgenommen wurde das Foto auf dem Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft zur Veröffentlichung in der Informationsbroschüre der Genossenschaft.

Die Antwort des BGH– ja: Es handelt sich hierbei um ein Foto aus dem Bereich der Zeitgeschichte.

Bildberichterstattung über Vermieter-Broschüre auf dem Mieterfest erlaubt?

Es ging um ein Foto von Menschen und deren Recht am eigenen Bild in einer Infobroschüre der Wohnungsbaugenossenschaft.

Das Foto wurde im August 2010 beim jährlich stattfindenden Mieterfest gemacht. Zu sehen sind Großmutter, Tochter und Enkelin, letztere wird von der Großmutter gefüttert. Das Foto wurde in der Informationsbroschüre der Wohnungsbaugenossenschaft neben neun weiteren Fotos veröffentlicht.

Die Mieterinnen waren mit dieser Veröffentlichung nicht einverstanden und ließen die Wohnungsbaugenossenschaft durch einen Anwalt abmahnen. Die Wohnungsbaugenossenschaft gab daraufhin eine Unterlassungserklärung ab.

Zusätzlich forderten die Mieterinnen in der Abmahnung Schadensersatz in Höhe von 3.000 € und die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 837,52 € wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Wohnungsbaugenossenschaft weigerte sich jedoch, das zu zahlen.

Die auf Zahlung gerichteten Klagen der Mieterinnen beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg und beim Landgericht Berlin wurden abgewiesen. Die Mieterinnen versuchten es daher beim BGH.

Mieterfest – Ereignis der Zeitgeschichte als Ausnahme zum Recht am eigenen Bild

Der BGH war im Ergebnis derselben Meinung wie die Berliner Gerichte. Die Mieterinnen haben weder einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, noch auf Schadensersatz und gingen daher leer aus.

Das Landgericht Berlin hatte seine Entscheidung damit begründet, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verletzt ist. Der Bundesgerichtshof war zusätzlich der Meinung, dass das Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist und daher die Rechte der Mieterinnen nicht verletzt sind.

Grundsätzlich dürfen Bilder nur mit Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden. Es gibt aber Ausnahmen, insbesondere wenn das Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist. Geregelt ist das in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG (Kunsturheberrechtsgesetz).

Doch wann handelt es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte? Dieser Begriff ist sehr weit zu verstehen: Zunächst gehören zur Zeitgeschichte alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Beispiele hierfür sind wirtschaftliche oder kulturelle Geschehnisse, aber auch Unfälle oder Straftaten. Laut Bundesgerichtshof zählen aber auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung zu Geschehnissen der Zeitgeschichte, worunter somit auch das betroffene Mieterfest fällt.

Erforderlich ist jedoch immer eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und dem Informationsgehalt der Bildberichterstattung. Der Bundesgerichtshof war nach Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen der Meinung, dass die Wohnungsbaugenossenschaft sich auf die Meinungsfreiheit berufen könne. Die Wohnungsbaugenossenschaft habe ein zu schützendes Interesse daran, die Genossenschaftsmieter „im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren“.

Weiterhin begründet der Bundesgerichtshof seine Entscheidung damit, dass die Beeinträchtigungen der Mieterinnen durch das veröffentlichte Foto sehr gering seien. Die Veröffentlichung des Fotos erfolgte ohne Namensnennung und das Bild wurde auch nicht heimlich gemacht. Außerdem wurde die Informationsbroschüre nur an die Genossenschaftsmieter, also an eine begrenzte Anzahl an Personen, verteilt.

Fazit: Es gilt also: Wer zu öffentlich zugänglichen Festen geht, muss sich in Acht nehmen. Eine Bildberichterstattung, zumindest auf lokaler Ebene,  wird sich kaum verhindern lassen.

 

§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG

§§ 22,23 Abs. 1 Nr. 1 KUG

 

Bundesgerichtshof, Urteil vom  08. April 2014  –  Aktenzeichen VI ZR 197/13

Vorinstanzen:

Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 19. Oktober 2012  –  224 C 184/12

Landgericht Berlin, Entscheidung vom 26. März 2013 –  27 S 18/12

 

Ihr Ansprechpartner für Fragen des Persönlichkeitsrechts und Fotorechts

 

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig

 

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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